Mitzieher fotografieren

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Mitzieher fotografieren: 11 Tipps zum gelungenen Bild

Mitzieher machen Bewegung sichtbar ohne sie einzufrieren

Wenn wir an das Fotografieren von Objekten denken, die sich schnell bewegen, ist auch genauso schnell klar: Wir brauchen eine ganz kurze Belichtungszeit. Denn wenn du die Belichtungszeit verkürzt, frierst du die Bewegung ein und bekommst das Motiv scharf dargestellt.

Der Nachteil dabei: Das Gefühl für die Geschwindigkeit geht durch das Einfrieren verloren. 

Alternativ zum Einfrieren kannst du auch die Kamera mit dem vorbeitragenden Objekt mitziehen und erhält so schöne, stimmungsvolle Momentaufnahmen, die den Betrachter fesseln.  Aber auch das hat einen Nachteil: Die so fotografierten Bilder sind durch die viele Bewegung von Motiv und Kamera oft komplett unscharf.

Das Mitziehen der Kamera beim Fotografieren ist eine ganz alte Technik aus den Anfängen der Fotografie und des Motorsports. Damals ging es gar nicht anders. Aber dass wir heute locker mit 1/8000 Sekunde und kürzer fotografieren können heisst nicht, das wir das müssen. Sich mal am Mitziehen auszuprobieren macht Mühe, aber auch Spaß und lohnt sich!  

In diesem Ratgeber habe ich 11 Tipps (letztendlich sind es beim Schreiben sogar noch mehr geworden) zur Fotografie von Bewegung zusammengestellt:

 

Motive, bei denen Mitzieher gut funktionieren

Es gibt viel mehr Möglichkeiten als man denkt und oft kommt der Appetit mit dem Essen. Hast du erst einmal damit angefangen, wirst du Mitzieher immer wieder als Stilelement einsetzen. 

Autos und Motorräder

Fahrende Autos findest du überall, sie eigenen sich auch gut zum üben. Spannende Motive bekommst du dann mit ausgefallenen Fahrzeugen oder Umgebungen hin, zum Beispiel in der Stadt, im Abendlicht oder zur blauen Stunde. Nachtaufnahmen mit Lichtern, die zu Streifen verwischen, sind oft besonders spannend. Und da du ja die Kamera mit dem Hauptmotiv bewegst, werden alle Hintergrundlichter zu bewegten Streifen, selbst Schaufenster. 

Züge

Am Bahnhof bietet sich der Beginn eines Bahnsteigs an, weil da der Zug noch relativ schnell an dir vorbeifahren wird. Schöne Motive sind auch Züge, die durch die Landschaft fahren, die dann verschwimmt. Die Züge fahren zwar schnell, sind aber weit weg.  Am besten benutzt du hier ein Stativ, bei dem du die Kamera horizontal schwenken kannst. Züge fahren nur alle paar Minuten, zum Üben ist das vielleicht zu selten.

Fußgänger und Fahrradfahrer 

Mitzieher von Fußgängern bekommst du eigentlich nie richtig scharf. Wenn dir das bewusst ist und du das als Stilmittel einsetzen magst, kannst du in vielen Situationen Mitzieher fotografieren.  Das gleiche gilt für Fahrradfahrer. Manchmal bekommst du den Kopf scharf, aber eigentlich nie die Beine, sie bewegen sich ja unabhängig.  

Auch gilt es hier die Persönlichkeitsrechte zu wahren.
Ich mache diese Übung auch gerne mit den Teilnehmern bei meinen Street Style Workshops mit den Models vor einem spannenden Hintergrund und wir bekommen so eigentlich „im Vorbeigehen“ schön inszenierte Schnappschüsse.

Tiere

Natürlich sehr dankbare Motive sind auch Tiere, die du z.B. auf der Jagd oder beim Spielen fotografieren kannst. Durch den Mitzieher werden es dann tolle, actionreiche Bilder.

Sport

Auto-, Pferde-, Radrennnen, Leichtathletik, das waren die ersten Motive und sie passen immer noch. Hier besteht die Schwierigkeit darin, nah genug ran zu kommen. Am besten vorher beim Veranstalter fragen. Du bekommst öfter eine Zusage, als du denkst.

So gelingen stimmungsvolle Bewegungsbilder:

Ein Beispiel: Oldtimer in Havanna. 

Fujifilm X-T3, XF 16-55 f/2.8
Brennweite: 38mm, Belichtungszeit: 1/30 Sek. Belichtungszeit, Blende: f/11

Das Bild hier zeigt, dass oft nur Teile des vorbeifahrendenAutos scharf abgebildet werden. Hier ist der vordere Kotflügel scharf, der hintere aber nicht.

Das Auto hätte auch bei Blende f/2.8 vom Hintergrund losgelöst werden können, es wäre dann sicher mit deutlich weniger Bewegungsunschärfe zu sehen.
Auch das hätte ein schönes Bild werden können, aber hier sieht man sofort: Das Auto bewegt sich und wirkt nicht, also ob es  mitten auf der Strasse steht.

Standort

Seitlich vorbei ziehen: Die bewegten Objekte sollten möglichst nicht auf dich zukommen, sondern seitlich an dir vorbeiziehen. In der Regel macht es nur Sinn zu fotografieren, bis sie auf deiner Höhe sind, also wenn du sie von vorne fotografierst. Klassisch schön und mit der meisten Schärfe bekommst du die Motive, wenn das Objekt genau auf deiner Höhe ist und du es vollständig von der Seite fotografieren kannst.

Hintergrund: Achte auf den Hintergrund, auch wenn er nur unscharf im Bild zu sehen sein wird: er sollte ruhig wirken, nicht zu bunt. Etwas Struktur ist gut,  bei weitwinkligen Objektiven wird man ihn noch etwas erkennen und dem Betrachter somit einen Bezug zum Ort ermöglichen. Bei langen Brennweiten wird er eher in horizontale Linien verschwimmen und somit schöne, dekorative Strukturen für dein Motiv liefern.  

Kameraeinstellungen 

Belichtungszeit: Stell die Zeit fest auf einen Wert ein, der zur Bewegung der Motive passt, bei dicht vorbei fahrenden Autos kann das 1/100s sein, bei langsamen Objekten oder Autos, die ein paar Meter weg sind, bieten sich Zeiten von 1/15s – 1/100s an. Fang besser mit kurzen Zeiten an und nimm mit mehr Erfahrung längere Zeiten.  

ISO und Blende: Wenn sich an der Lichtsituation nicht viel ändert, stelle ich lieber einen festen Wert ein, aber ISO und Blende können auch auf Automatik stehen.

Autofokus: Steht bei mir auf AF-C (kontinuierliches Anpassen an die Entfernung, bei Canon heisst das AI Servo, bei Fuji, Sony und Nikon AF-C) Dadurch wird der Autofokus ständig an das sich annähernde oder entfernende Objekt angepasst.

Serienbild: Damit du in der kurzen Zeit, die das Objekt dir zum Fotografieren bietet möglichst viele Chancen für den perfekten Moment hast, stelle deine Kamera am besten von Einzelbildaufnahme auf Serienbilder um. Die Kamera macht dann in der Zeit, in der Du auf den Auslöser drückst, so viele Bilder, wie es nur geht. 

Einzelbild: Auch das Einzelbild hat Vorteile: Gerade beim Üben macht es Sinn im Einzelbildmodus zu arbeiten. Du produzierst dadurch nicht unnötig viele Bilder und gewinnst ein Gefühl für den richtigen Augenblick. Wenn du dir da sicher bist, dann lass die Einstellung auf Einzelbild.

Equipment

Graufilter: An sonnigen Tagen kann es für lange Belichtungszeiten einfach zu hell sein. Hier hilft ein Graufilter oder auch ND-Filter genannt. Ich benutze sehr oft ND64 bis ND1000 Filter, damit kommen 6 bis 10 Blendenstufen weniger Licht in die Kamera.  Spontan geht es aber auch ohne, dann halt mit sehr weit geschlossener Blende, z.B. f/11

Stativ: Hab ich bei Mitziehern noch nie benutzt, könnte aber hilfreich sein, wenn man wirklich nur horizontal schwenken mag

 Mitzieher fotografieren

Flow: Wenn Du bereit bist, dann fang mit den ersten Motiven an zu üben, damit du in den richtigen Flow kommst. 
Versuche das Motiv beim Bewegen der Kamera möglichst an der gleichen Stelle im Sucher zu haben, ich versuche es immer in der Bildmitte zu halten und mache deine ersten Serien.´bis du ein Gefühl für die Geschwindigkeit des Motivs bekommen hast,
Bildmitte und ausreichend Rand um das Motiv: Es ist mir aus zwei Punkten wichtig, das Motiv in der Bildmitte zu haben: 
Zum einen wegen des Flows, du hast so einen Anhaltspunkt wie schnell du die Kamera nachschwenken musst, damit das Motiv scharf bleibt und nur der Hintergrund verschwimmt. In der Regel bleiben nur kleine Teile des Motivs scharf und andere Teile gehen schon in die Bewegungsunschärfe über. Aber das ist auch schön so. 
Der zweite wichtige Aspekt: so wird das Risiko reduziert, dass wichtige Teile vom Motiv abgeschnitten werden. Aus diesem Grund lasse ich auch mehr Rand übrig als sonst.
Bildkomposition: Ich mag es, wenn das Motiv im ersten Drittel des Bildes ist, also eher in das Bild rein als raus rennt. Das sieht viel harmonischer aus. Wenn du das bei der Aufnahme so hinbekommst ist das prima, ansonsten versuche es wie oben beschrieben mit ausreichendem Platz an den Rändern in der Bildmitte zu halten, während es an dir vorbeizieht.
Rechtzeitig anfangen mit dem Mitziehen: Halte das Motiv schon an der richtigen Stelle im Sucher, wenn es weit weg ist. So hast du die richtige Drehbewegung (Winkelgeschwindigkeit) drauf, wenn das Motiv dicht an dir vorbeizieht und du schliesslich auslöst.
Die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, dass du vor dem ersten Shot, bei dem Du laut Wow! rufst, viele enttäuschende Bilder gemacht haben wirst. Laß dich davon nicht entmutigen und sieh das als Teil des Prozesses. Ich saß schon morgens 1-2 Stunden am Straßenrand in Havanna und hab von fast jedem vorbeiziehenden Oldtimer ein paar Bilder gemacht. War das eine Übung oder Meditation? Keine Ahnung…    

 

Tipp: Wenn du deine Mitzieher zeigen willst, habe ich eine Idee: 

Im Moment sind die Mitzieher Thema der Monatsaufgabe bei Lichtwert e.V. 

Hier der Link zu den Monatsaufgaben bei Lichtwert e.V

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