Intimate Portraits - Sergio
Für mich gibt es kaum etwas Bewegenderes, als Menschen so zu portraitieren, dass ihre Geschichte für den Betrachter zumindest zu erahnen ist. Sergio konnte ich zu Hause in Havanna besuchen und dabei mit meiner Rolleiflex eine sehr persöbliche Portrait Reportage machen.
In Havanna hatte ich im April 2019 das unglaubliche Glück, Antonio Hernandez zu treffen. Toni ist Fotograf, mit Analog-Kameras und Dunkelkammer. Er hat mir angeboten mit ihm zusammen, Menschen in ihrem Zuhause zu besuchen und auch dort zu fotografieren. Ich war sofort begeistert. Da ich meine Rolleiflex 6003 und genügend Filme dabei hatte und die Möglichkeit bestand gleich bei ihm Abzüge zu machen, habe ich natürlich analog fotografiert.
Die Bilder im Folgenden habe ich von Sergio gemacht. Ich will Euch aber nicht nur seine Bilder zeigen, sondern auch seine Geschichte erzählen.
Sergio ist ein drahtiger Mann, der in einer kleinen Wohnung in Jesús María, einem Viertel in der Altstadt von Havanna, lebt. Seine Mutter wohnt in der Nähe, ansonsten ist er alleine.
In den 80er Jahren war er einige Jahre im Gefängnis. Als die Gefängnisse in Kuba zu voll wurden, gelangte er über ein „Austauschprogramm“ in die USA und kam erst mal bei Verwandten in Florida unter. Da er sich mit diesen überhaupt nicht verstand, zog er weiter nach Minnesota.
Dort hat er nach einem Raubüberfall gleich das nächste Gefängnis kennen gelernt und sieben Jahre darin verbracht. In Havanna gibt es mittlerweile viele Menschen, die Englisch sprechen, aber kaum jemand in dem Alter von Sergio und vor allem nicht mit so einem perfekten amerikanischen Akzent. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis musste – oder durfte – er natürlich wieder zurück nach Kuba.
Wovon er jetzt lebt, weiss ich nicht wirklich, aber er braucht auch nicht viel. Lebensmittel und die Wohnung sind günstig und das Gesundheitswesen kostenlos. Sergio kennt die Prostituierten in der Gegend, aber sie sind zu teuer. Ich vermute, nicht immer. Sein Bett ist schon sehr dominant in der Wohnung. Diese besteht eigentlich nur aus einem Zimmer, in dem das Bett und ein Schaukelstuhl steht. In der Wand steckt ein Nagel, an dem ein Bügel mit seinen Anzug hängt. Etwas abgetrennt das WC und eine Kochnische. Das wars. Dunkel ist es auch; ich musste teilweise mit zwei Sekunden Belichtungszeit fotografieren. Aber in Havanna spielt sich das Leben eh auf der Strasse ab.
Toni konnte nicht herausfinden, wie wir den Ilford Delta 400 pushen können und ich sowieso nicht, weil ich mit meinem Handy höchstens mal irgendwo an einem Hotspot kurz online gehen konnte. Aber das war egal, Sergio ist ein ruhiger Mensch und schwankte höchstens mal mit dem Oberkörper, weil er kurz vorm Einschlafen war. Vielleicht auch, weil ich mit der Rolleiflex ewig lange zum Fokussieren gebraucht habe.
Obwohl Sergio also in jeder Hinsicht nicht viel hat, wirkt er extrem entspannt und zufrieden – abgesehen von den Mädels, die nicht so wollen, wie er…
Das er einen Anzug trägt, habe ich nicht wirklich als ungewöhnlich empfunden. Sergio strahlt unheimlich viel Stolz und Würde aus und wirkt in seinem Anzug absolut passend gekleidet. Das in der Wohnung neben dem Bett und dem Nagel mit dem Anzug noch ein Schaukelstuhl stand, war auch nicht verwunderlich, denn den hat auf Kuba nahezu jeder Haushalt.
Ich hab übrigens schon vorher versucht, Kubaner in ihren Schaukelstühlen zu porträtieren, hatte aber so meine Probleme. Google sagt Schaukelstuhl heißt auf spanisch mecedora, die Kubaner nennen das Ding aber balancín. Wenn du das erst mal weisst, ist es ganz einfach. Die Leute denken zwar du bist ein Spinner, aber sie lassen sich gerne in ihren balancínes fotografieren. Nur wenn du fragst, ob sie ein mecedora besitzen, sind sie irritiert und wissen sie nicht was du meinst.
Ich empfand die Zeit mit Sergio als sehr angenehm und bereichernd und deshalb war sie auch viel zu kurz. Bevor ich die Kamera bei ihm ausgepackt hatte, hab ich mich erstmal mit ihm unterhalten. Alleine das war schon den Besuch in seiner Wohnung wert.
Antonio legt großen Wert darauf, dass man die Models vor dem Fotografieren kennen lernt und eine Beziehung zu ihnen aufbaut. Ich finde selbst auch, dass nur so Portraits entstehen können, die unter die Oberfläche blicken lassen.
Als wir mit der Portrait-Session durch waren, hat sich Sergio wahrscheinlich erst mal hin gelegt um sich für die Nacht zu wappnen. Für Toni und mich ging es dann weiter in seine Dunkelkammer.
Ich zeige hier drei der Bilder aus der Serie, die dabei entstanden ist. Sie zeigen Sergio schon so, wie ich ihn kennen gelernt habe und mehr braucht es eigentlich gar nicht…
Hier übrigens noch der Link zum Instagram Account von Toni und seiner Web Site, schaut euch mal seine Arbeiten an!
Und falls ihr nach Havanna fahrt, besucht Toni und nehmt Filme mit!
Er hat übrigens auch eine Sammlung mit Analogkameras von Nikon, aus der er gerne auch mal eine verleiht. Kann ja nicht jeder ne Rolleiflex im Handgepäck mitnehmen..


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